SVR-ASM
Geschichte
Geschichte der Schweizerischen Richtervereinigung: 1996-2017
David Werner
David Werner, langjähriges Vorstandsmitglied, hat unsere
Vereinsgeschichte für den Zeitraum von 1996
bis heute
niedergeschrieben. Der interessante und detaillierte
Text
enthält zahlreiche nützliche Links. Im Text integriert ist der Abspann
„Zur Geschichte der Schweizerischen Richtervereinigung“ von Philippe Abravanel und Pierre Zappelli, welcher die Vereinsjahre
seit der Gründung (1969) bis 1995 betrifft.
Geschichte der Schweizerischen Richtervereinigung: 1969-1995
Philippe Abravanel und Pierre Zappelli
Der Präsident des Bundesgerichts, André Panchaud, der sich einen Namen als Mitglied internationaler Schiedsgerichte
gemacht hatte, traf sich des Öftern mit angesehenen ausländischen Richtern, die ihm von der "Union internationale des
magistrats" (U.I.M.), der Internationalen Richtervereinigung, erzählten. Diese Vereinigung wurde im Jahre 1953 gegründet.
Panchaud rief auf den ersten Oktober 1969 zu einer Gründungsversammlung für eine Schweizerische Richtervereinigung
(Association suisse des magistrats de l'ordre judiciaire; Associazione svizzera dei magistrati) auf. Fünfundvierzig schweizerische
Richter, zum grossen Teil aus der Romandie, fanden sich im Palais de Justice in Genf ein und gründeten eine schweizerische
Vereinigung mit Sitz in Lausanne. Die Vereinigung gab sich schlichte Statuten (sechs Artikel) und wählte einen Vorstand von
sechs Mitgliedern: Otto Kaufmann als Präsidenten, Marcel Wurlod als Sekretär, Anton Kalchofner, Pierre Fournier, Adolfo Bader
und Paul Schreiber. Der Jahresbeitrag wurde "nach Beratung" auf Fr. 25.- festgelegt.
Die erste Generalversammlung fand am 17. Oktober 1970 abermals in Genf statt. Man hörte zwei Vorträge zum hundertsten
Jahrestag der schweizerisch-französischen Konvention. Kaufmann und Wurlod berichteten über den Kongress der U.I.M. in
Tunis. Der jungen SRV wurde eine eigene vollständige Ausgabe der "Semaine judiciaire" zur Verfügung gestellt, jene vom 1.
Februar 1971 (93. Jahrgang, Nr. 5).
Die Mannschaft der ersten Stunde lenkte weiterhin die Geschicke der SRV. Sie organisierte jedes Jahr eine Jahresversammlung,
wenn immer möglich unter Berücksichtigung der verschiedenen Landesteile. Seit 1974 wurde auch jeweils ein
Frühjahrsseminar durchgeführt, einmal in der Romandie, bzw. dem Tessin. Die SRV nahm regelmässig an den internationalen
Kongressen teil. Die Zahl der Mitglieder erhöhte sich, besonders nördlich der Sense.
1973 wurde Marcel Wurlod zum Präsidenten, als Nachfolger von Otto Kaufmann, gewählt. Er organisierte 1976 einen
internationalen Kongress in Lausanne, umrandet von einem Bankett in Schloss Chillon und einem Abendessen (dîner
éparpillé?) bei Waadtländer Richtern.
1977 wurde der Tessiner Fernando Gaja in Bellinzona zum Präsidenten der SRV gewählt.
Die SRV geriet in die stürmische Phase ihrer Adoleszenz. Das Thema des Frühjahr-Seminars 1982 weist darauf hin. Die
Richtervereinigung behandelte das "Wesen und das Erscheinungsbild des Richters". Wie dem auch immer sei, diese Krise war
nicht von langer Dauer. Unter der Leitung von Heinz Aeppli, Präsident seit 1981, kam neue Dynamik in die SRV. 1984
beschäftigte man sich mit dem Computer, Thema der Frühjahrsveranstaltung. Der Computer, anfänglich noch zurückhaltend
als Arbeitsinstrument des Richters gebraucht, ist heute ein unentbehrliches Hilfsmittel selbst des konservativsten Richters.
1985 gelangte wieder ein Romand zur Präsidentschaft des SRV: Philippe Abravanel nahm "die Zügel in die Hand". Er überliess
sie bereits wieder 1985 an Peter Balscheit, da er zum Vizepräsidenten der Internationalen Richter-Vereinigung (U.I.M.) gewählt
wurde. Philippe Abravanel wird in der Folge Präsident der U.I.M. (1992-1994), der zweite Schweizer nach Otto Kaufmann, der
einige Jahre früher Präsident war. Von 1985 bis 1988 stieg die Mitgliederzahl der SRV beträchtlich. Sie erhöhte sich von 300 auf
450 Mitglieder. Die Richtervereinigung entwickelte sich zu einer wirklich repräsentativen Vertretung der schweizerischen
Richterinnen und Richter.
Die SRV führte auch umfangreiche Untersuchungen zur Definition des Richterstatus durch, zu den Arbeitsbedingungen des
Richters und dessen Stellung in der Gesellschaft. Im einzelnen fallen hierunter: die Untersuchungen zu der Entlöhnung der
Richter und Staatsanwälte von 1977 und 1988, die Untersuchung zu den Arbeitsbedingungen von 1985 und schliesslich die
Enquete über die Verbindungen zwischen Richter und Politik im Jahre 1993 in Winterthur.
Da die SRV seit 1987 die schweizerische Richterschaft repräsentativ vertrat, wurde sie zum "obligatorischen" Gesprächspartner
für die Bundesbehörden, die sie nunmehr in alle Vernehmlassungen zu wichtigen Bundesgesetzesentwürfen miteinbezogen.
Anlässlich der Vernehmlassung zum Revisionsentwurf betreffend den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, im Jahre
1993/1994, entfachte sich wieder einmal innerhalb des Vorstandes die Debatte zwischen jenen, die an die Wirkung von
Strenge und Repression gegenüber Delinquenten glaubten, und den Anhängern einer eher "rousseauschen" Konzeption, die
auf der Resozialisierung und weniger auf Gefängnis als Sanktion aufbaute. Die ersteren setzten sich im Vorstand durch.
1992 ging die Präsidentschaft der Richtervereinigung an Pierre Zappelli über. In diesem Jahr wurde auch die Schweizerische
Stiftung für die Weiterbildung der Richter gegründet, bei der die SRV Pate gestanden war. Die Stiftung übernahm die Aufgabe
der alljährlichen Frühjahrstagung und ersetzte diese seither.
Die Aufgaben der SRV in der Schweiz haben sich stark vermehrt. Dies behindert aber nicht die wachsende Aktivität der SRV auf
dem internationalen Parkett, was ein wenig dazu beiträgt, die relative Isolierung der Schweiz in Europa zu kompensieren.
Zahlreiche Schweizer Richterinnen und Richter beteiligen sich an den Arbeiten der U.I.M. und an der kürzlich gegründeten
Europäischen Richtervereinigung oder vertreten diese Organisation in wichtigen Missionen.
Mit heute rund 500 Mitgliedern wird die Schweizerische Richtervereinigung 25 Jahre alt. Sie ist nun ins Erwachsenenalter
eingetreten.
Juni/September 1995 Montpreveyres und Fribourg
Philippe Abravanel und Pierre Zappelli
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